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Die Ausstellung "Horror Patriae" hinterfragt nationale Mythen und die dunklen Seiten des Patriotismus

 

Graz, 19.09.2024

 

Die Ausstellung Horror Patriae in der Neuen Galerie Graz ist das Herzstück des steirischen herbst ’24. Im historischen Gebäude des Universalmuseums Joanneum stellt sie sich als ein alternatives Museum der nationalen Komplexe voller dunkler Phantasmen vor und kombiniert dafür Werke und Gegenstände aus den verschiedenen Sammlungen des Universalmuseums Joanneum mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen. Während des Festivals und darüber hinaus werden Führungen und Gespräche mit Expert*innen angeboten. Zu sehen ist die Ausstellung bis Mitte Februar 2025.

Ekaterina Degot (Intendantin steirischer herbst), die Kurator*innen David Riff und Pieternel Vermoortel sowie Künstler*innen der Ausstellung "Horror Patriae", Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Gegründet wurde das heutige Universalmuseum Joanneum im Jahr 1811 als Museum der Aufklärung mit einer Bildungsfunktion. Es stand im Zentrum dessen, was der Historiker Benedict Anderson eine „vorgestellte Gemeinschaft“ nennt. Wie Anderson in seinem einflussreichen Buch Die Erfindung der Nation (1983) argumentiert, sind alle Nationalstaaten, wie wir sie kennen, Erfindungen, Werke der kollektiven Vorstellungskraft des Bildungsbürgertums. Museen, ebenso wie Romane, Zeitungen und Theaterstücke, sind Orte dieser Konstruktionsarbeiten.

 

In dieser Welt imaginärer Staaten war der, dem sich das Museum widmete, besonders flüchtig: Die Steiermark war eher eine Provinz als ein Staat, obwohl Graz zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte – während der Renaissance – die Hauptstadt eines Territoriums namens Innerösterreich war, das Teile des heutigen Italiens und Sloweniens umfasste. Der Gründer des Museums, Erzherzog Johann (1782–1859), förderte den Lokalpatriotismus gegenüber der noch schwammigeren Identität eines riesigen Vielvölkerstaates mit Nachdruck. Dennoch legte er mit seiner überraschend universalistischen Denkweise großen Wert auf die Notwendigkeit, von allen Ländern zu lernen – insbesondere im Bereich des Handwerks und der Technologie. So strukturierte er das Museum als Katalog von Leistungen, die es wert sind, studiert zu werden.

 

„Wir sind dankbar für die Kooperation mit der Neuen Galerie Graz. Die Räume der Neuen Galerie wurden für die Ausstellung, die sich in acht Kapitel gliedert und die Utopie eines Museums beschreibt, ein wenig verändert: ‚Heimattempel‘, ‚Abteilung für gemäßigten Größenwahn‘, ‚Galerie der zaghaften Moderne‘, ‚Kabinett der Gipfel und Hügel‘, ‚Direktorium der Nationen‘, ‚Station der wilden Fantasien‘, ‚Kammer der unwahrscheinlichen Patriot‘ und ‚Sektion der braunen Flaggen‘.“ - Ekaterina Degot, Intendantin des steirischen herbst

Die Ausstellung in der Neuen Galerie Graz wird heute eröffnet und ist bis Mitte Februar 2025 zu sehen, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Für die Kurator*innen der Ausstellung ist besonders die spätere Geschichte des Universalmuseums Joanneum von Interesse, in dem es, wie sie es beschreiben, „im Zeichen von Spannungen zwischen dem Lokalen und dem Kosmopolitischen stand“. In den 1880er-Jahren entwickelte es sich zu einem angesehenen Museum der „hohen“ Kunst. Allerdings wurde 1913 auch eine Abteilung für das bäuerliche Alltagsleben eingerichtet. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wandte sich die Institution hin zum Deutschnationalismus, der den sogenannten „Anschluss“ ermöglichte. In den 1950er-Jahren fand im Rahmen der „Trigon“-Biennale eine Rückbesinnung auf den historischen Staatenbund Innerösterreichs auf einer rein kulturellen Ebene statt, dessen Nachfolgestaaten schon längst in der geteilten Weltordnung des Kalten Krieges aufgegangen waren.

 

„Nationalmuseen sind Geisterhäuser. Gegründet von Reichen und Staaten, die längst nicht mehr existieren, dienten sie dazu, nationale Mythen zu konstruieren und zu bestätigen. Auch wenn sich die Welt ständig verändert, treiben einstiger Größenwahn und kleinliche Ressentiments dort häufig noch ihren Spuk. Die Ausstellung Horror Patriae bietet einen humorvollen und doch kritischen Gegenentwurf zu gängigen Nationalmuseen und setzt sich mit der dunkleren Seite des Patriotismus in all seinen Formen und auf der ganzen Welt auseinander“, so die Kurator*innen des steirischen herbst.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm begleitet die Ausstellung in den kommenden Wochen, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Unter Bezugnahme auf diese und viele andere lokale und internationale Geschichten entwerfen die Kurator*innen mit Horror Patriae ein alternatives Museum nationaler Komplexe und dunkler Fantasien: Ist dieses Museum dysfunktionaler und widersprüchlicher Nationalitäten die einzige Möglichkeit, sich ein Nationalmuseum in einer Zeit wie der unseren vorzustellen, in der patriotische Gefühle positiv aufgenommen werden, auch wenn sie eine dunkle Seite haben? Die Ausstellung, in mehrere fiktive Abteilungen gegliedert, kombiniert Werke und Artefakte aus den verschiedenen Sammlungen des Universalmuseums Joanneum (Neue Galerie Graz, Alte Galerie, Schloss Trautenfels, Museum für Geschichte, Volkskundemuseum am Paulustor, Naturkundemuseum) mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen, darunter viele Auftragswerke.
"Mit dieser Schau, welche Objekte aus unterschiedlichen Sammlungen des Universalmuseums mit Beiträgen und Auftragsarbeiten zeitgenössischer Künstler*innen stimmig vereint, wird die Neue Galerie Graz nicht zuletzt ihrer wesentlichen Funktion als offene Diskursplattform für gesellschaftsrelevante, mitunter auch kontroversiell empfundene Themen gerecht", so Peter Peer, Leiter der Neuen Galerie Graz zur Kooperation.

 

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Künstler*innen
Sarnath Banerjee, Renate Bertlmann, Anna Boghiguian, Sergey Bratkov, Pablo Bronstein, Madison Bycroft, Ieva Epnere, VALIE EXPORT, Peter Friedl, Robert Gabris, Tomislav Gotovac, Assaf Gruber, Jan Peter Hammer, Thomas Hörl, Jakub Jansa, Nikolay Karabinovych, Alina Kleytman, David Kranzelbinder, Ingo Niermann und Erik Niedling, Paulina Ołowska, Michèle Pagel, Hannes Priesch, Roee Rosen, Daniel Rycharski, Marko Tadić, Helene Thümmel, Piotr Urbaniec, Andreas Werner.


Aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz
AES+F, András Felvidéki, Wolf Gössler, Drago Julius Prelog, Hans Werner Poschauko, Paolo Tessari, Norbert Trummer, Franco Vaccari und weitere.

 

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Horror Patriae
Eine Kooperation von steirischer herbst '24 und Neue Galerie Graz
 
 

Eröffnung: 19.09.2024, 18 Uhr
Laufzeit: 20.09.2024–16.02.2025
Kuratiert von Ekaterina Degot, David Riff, Pieternel Vermoortel
Berater*innen: Ulrich Becker, Ulrike Hausl-Hofstätter, Eva Maria Hois, Herwig G. Höller, Günther Holler-Schuster, Birgit Johler, Karin Leitner-Ruhe, David Nayer, Wolfgang Paill, Barbara Porod, Barbara Seyerl
www.steirischerherbst.at
www.neuegalerie.at

 

Rahmenprogramm im September
19.09., 18 Uhr:
Ausstellungseröffnung mit Musik von Mélange Oriental
20.09., 11:30–15:30 Uhr: Artist Talk (in englischer und deutscher Sprache): Gespräche mit Künstler*innen und Kurator*innen des steirischen herbst, Auditorium, Joanneumsviertel
20.09., 16:30 Uhr: Künstler*innenführung mit Ieva Epnere und Marko Tadić in englischer Sprache
21.09., 10 Uhr: Künstlerführung mit Assaf Gruber und Jan Peter Hammer in englischer Sprache
22.09., 10 Uhr: Kuratorinnenführung mit Ekaterina Degot
25.09., 17 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Hans-Peter Weingand
29.09., 10 Uhr: Künstlerinnenführung mit Helene Thümmel

Untypisch. Interaktive Führung durch die Ausstellung, jeden Sa. und So., 14–16 Uhr
Typisch? Überblicksführung durch die Ausstellung, jeden Do. und Fr., 16:30 Uhr, jeden Sa., 10:00 Uhr

 

Weitere Informationen und BILDMATERIAL ZUM DOWNLOAD finden Sie hier: HORROR PATRIAE 

und auf steirischerherbst.at/presse 

 

 

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Wir freuen uns über Berichterstattung und stehen für Rückfragen gerne zu Verfügung!

 

Mit herzlichen Grüßen

 

 

Daniela Teuschler
+43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at

Stephanie Liebmann
+43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at

Eva Sappl
+43/699/1780-9002, eva.sappl@museum-joanneum.at

 

Georg Hartwig
+43 316 823 007 65, hartwig@steirischerherbst.at