Der Blick hat sich gewandelt Die Einzelzeichnungen, die im Umkreis des Irrwisch entstehen, kann Brus 1971 in der Galerie Michael Werner ausstellen. Die realistischen Bleistiftzeichnungen mit ihrem spröden, teilweise fast unbeholfen wirkenden Strich kreisen um die Verletzungs- und Sexualthematik. Brus lässt keine Provokation aus, spannt seine Menschen in unmögliche Folterapparaturen und stellt die gesellschaftliche Bigotterie und Perversion an den Pranger. War es in den Aktionszeichnungen sein eigener Körper, der von Maschinen und Apparaten malträtiert, gefoltert und verstümmelt wurde, so sind es jetzt die Repräsentanten der österreichischen Gesellschaft, die „wichtel“, wie Muehl sie bezeichnet, die in zerstörerische Mechanismen und Strukturen eingespannt dargestellt werden. Der Blick hat sich gewandelt: von einer radikalen Introspektion mit einem sezierenden, suchenden Strich, der die Schichten der eigenen Einschränkungen freilegt, zur zynischen Außenansicht auf eine Gesellschaft, die ihrer Kontrollinstanzen nicht gewahr ist und der ihre Unterdrückung und Ohnmacht in realistischer Manier übersteigert vor Augen geführt wird. Die Präsentation wird wider Erwarten ein großer Erfolg und Michael Werner kann sämtliche Zeichnungen verkaufen.
Mit dem unerwartet verdienten Geld fliegt die Familie Brus drei Monate nach Andalusien. In Nerja, das aufgrund der langen Landzunge, die in den Atlantik ragt, auch „Balkon Europas“ genannt wird, entstehen expressive, teils romantische Zeichnungen mit Farbstift auf Papier. Diese neuen Zeichnungen sind eigentlich für seine zweite Ausstellung in Köln bei Michael Werner gedacht, doch der Galerist schickt Brus das rund 50 Blatt starke Konvolut mit dem Kommentar zurück, dass dieser „wohl in einer Krise“ sei. Der Künstler beginnt daraufhin, die DIN-A4 großen Zeichnungen auf Karton zu kleben und frei dazu zu schreiben. Es entsteht als 18. Box der Edition Hundertmark der Balkon Europas, der in seiner Verquickung von Bild und Text eine erste Frühform der Bild-Dichtung darstellt. In dieser Zeit, in der sich ein Umbruch in seinem Schaffen andeutet, dessen Richtung und Konsequenz Brus mehr erahnt, als dass er sie bereits erkennt, findet er in der Kombination von Schreiben und Zeichnen eine Perspektive, eine neue künstlerische Strategie, die sein Werk über die nächsten Jahrzehnte prägen wird.
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Günter Brus Ein irrer Wisch
Eröffnung: 08.05.2024, 19 Uhr Laufzeit: 09.05.‒06.10.2024 Kuratiert von Roman Grabner BRUSEUM, Neue Galerie Graz Joanneumsviertel, 8010 Graz www.bruseum.at
Der Ausstellungsbesuch ist aufgrund von sensiblen Inhalten erst ab einem Alter von 18 Jahren gestattet.
Bildmaterial zum Download finden Sie unter folgendem Link: EIN IRRER WISCH
Veranstaltungshinweis:
Ein Abend für Günter Brus 07.05.2024, 18:30 Uhr Neue Galerie Graz, BRUSEUM
Anmeldung: neuegalerie@museum-joanneum.at
Die internationale Bedeutung von Günter Brus wird an diesem Abend von Theresia Niedermüller, Sektionsleiterin Kunst und Kultur im Bundesministerium, Sandra Holasek, Landtagsabgeordnete und Kulturstadtrat Günter Riegler gewürdigt. Schauspieler Daniel Doujenis liest aus den humorvollen und bildgewaltigen Texten des steirischen Künstlers. Kolumnist Hans Rauscher rezensiert die Medienpersönlichkeit Günter Brus und BRUSEUM-Leiter Roman Grabner bemisst das Lebenswerk des Künstlers.
Musikalisch umrahmt wird der Abend vom Ensemble Schallfeld sowie von Cantando Admont und Mélange Orientale.
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Mit herzlichen Grüßen
Daniela Teuschler +43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at Stephanie Liebmann +43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at Eva Sappl +43/699/1780-9002, eva.sappl@museum-joanneum.at
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