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Die „älteste Steirerin“ – Das kupferzeitliche Skelett aus der Josefinenhöhle bei Peggau

04.01.2022

 

Seit über 100 Jahren ist aus der steirischen Josefinenhöhle ein urgeschichtliches Skelett bekannt, das stets zu den ältesten derartigen Funden Österreichs zählte. Eine jüngst durchgeführte Radiokarbondatierung hat nun das wahre Alter der Gebeine enthüllt. Das Skelett eines weiblichen Individuums datiert zwischen 3630-3380 v. Chr. und ist damit sogar um ca. 300 Jahre älter als der Ötzi, die berühmte Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen in Südtirol. Das bislang älteste in der Steiermark aufgefundene menschlichen Skelett datiert somit in die späte Jungsteinzeit, die auch als Kupferzeit bezeichnet wird.

Adolf Mayer sen. mit Keramikbruchstücken, Tierknochen und menschlichen Skelettresten aus der Josefinenhöhle bei Peggau, 1909, Quelle: UMJ, AArchMK, Fotoarchiv

Heute wird das Skelett in der Sammlung Geologie & Paläontologie der Abteilung Naturkunde am Universalmuseum Joanneum in Graz aufbewahrt. Die Anthropologin Silvia Renhart und der Archäologe Daniel Modl, beide Mitarbeiter*innen der Abteilung Archäologie & Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum, haben mit modernsten Methoden diesen Altfund untersuchen lassen und konnten neue Erkenntnisse hinsichtlich des Sterbealters des weiblichen Individuums, ihres Körperbaus, ihrer Nähe zu anderen bekannten anthropologischen Funden dieser Epoche und der Behandlung des Leichnams nach dem Tode in Form einer Manipulation am Hinterhauptsloch des Schädels gewinnen. „Die Neuuntersuchung dieses ältesten Skelettes der Steiermark zeigt einerseits, dass man immer wieder Neues – mit und ohne neuen Methoden – entdecken kann. So ist es möglich das anthropologisch neu bemessene Sterbealter mit der neuen, molekularen Bestimmungsmethode zu untermauern, einem Menschen aus der Vergangenheit ein Gesicht zu geben und noch dazu neue Erkenntnisse zur Behandlung eines Leichnams nach seinem Tod zu gewinnen“, so Anthropologin Silvia Renhart.

 

Zudem gewährt eine Gesichtsweichteilrekonstruktion einen einzigartigen Blick auf das Antlitz der „ältesten Steirerin“, die als klein, robust und kräftig beschrieben werden kann und in einem für damalige Zeiten hohen Alter von ungefähr 52 Jahren verstarb. Archäologe Daniel Modl fügt hinzu: „Dieses Projekt ist ein wunderbares Beispiel für die internationale Zusammenarbeit von Expert*innen, die hier Großteils unentgeltlich geforscht haben, sowie für die neuen Möglichkeiten, die uns die Naturwissenschaften und virtuelle Rekonstruktionen in der Forschung und Vermittlung eröffnen.“

Eingang der Josefinenhöhle bei Peggau, 2021, Foto: UMJ/D. Modl

Zur Fundgeschichte in der Josefinenhöhle bei Peggau

Am 12. September 1909 stieß ein namentlich nicht bekannter Steinbrucharbeiter südöstlich der Lurgrotte bei Peggau beim Abtragen von Schutt auf den Eingang einer tropfsteinreichen Höhle. Sogleich wurde der Grundbesitzer Josef Dirnbacher und der zufällig anwesende Höhlenforscher Adolf Mayer sen. verständigt, die sich durch den geweiteten Eingang zwängten. In der aus einem langgestreckten Raum und zwei Seitengängen bestehenden Höhle konnten Dirnbacher und Mayer mehrere Menschen- und Tierknochen sowie Keramikscherben bergen, die gut sichtbar aus dem teilweise versinterten Lehmboden hervorragten. Bei den Knochen handelte es sich um neun menschliche Knochen, darunter ein Schädel, ein Unterkiefer, zwei Oberarmknochen und zwei Schienbeine, sowie um mehrere Tierknochen, darunter der Unterkiefer eines Braunbären, die Hornzapfen einer Gämse und das Schulterblatt eines Rindes.

 

Noch am gleichen Tag wurde der Vorstand der geologischen Abteilung am Joanneum in Graz, Vinzenz Hilber, von der Bergung menschlicher Skelettteile unterrichtet, der in den folgenden drei Wochen mit umfangreichen Grabungsarbeiten in der Höhle begann. In den obersten Sedimentschichten der Höhle konnte Hilber neben dem Schädel eines Braunbären, auch ein Knochenwerkzeug und Keramikscherben sowie 48 weitere Menschenknochen vom selben Individuum bergen.

Vorderansicht des Schädels aus der Josefinenhöhle, Foto: UMJ/D. Modl

Gesichtsweichteilrekonstruktion mit ergrautem Haar, Grafik: Institut für Bioinformatik/Forensik, Systemische Forensik und Biologie, Hochschule Mittweida/SIT Darmstadt – University of Applied Sciences/D. Labudde, S. Becker und J. Rosenfelder

Hinweise auf ein durch körperliche Arbeit geprägtes Leben

Das eindeutig weibliche Skelett weist auf eine kräftige Muskulatur und hohe Robustizität des Individuums hin. So weisen markante Muskelansätze am Oberkörper vor allem am Schädel und den Knochen des Schulter-/Oberarmbereiches auf eine athletisch „trainierte“ Nackenmuskulatur, infolge des Tragens schwerer Lasten hin. Dies trifft auch für die Unterschenkelknochen zu, die ebenso auf die starke Beanspruchung des Körpers und Zurücklegen weiter Wegstrecken Zeit ihres Lebens hinweisen. Hockerfacetten belegen das häufige Verharren in hockender Position.

 

Es finden sich am Skelett auch zahlreiche Belege für häufig auftretende Mangelernährungsphasen aufgrund von Hungersnöten bzw. saisonalen Nahrungsmittelengpässen mit einem fast stetigen Mangel an Vitamin C, Mineralstoffen und Eiweiß, die zur Schwächung des Organismus führten. Daraus resultierte wiederum eine hohe Anfälligkeit für Infektionserkrankungen und Skorbut. Zudem hatte die latente Unterversorgung an essenziellen Nährstoffen Einfluss auf die Körperentwicklung und damit auch auf das Höhenwachstum des Individuums. Die errechnete Körperhöhe von 147,1 cm mutet für heutige Verhältnisse gering an, entspricht aber durchaus der Variationsbreite, die bei ur- und frühgeschichtlichen und speziell auch neolithischen Skelettserien auftritt. Und es handelt sich hierbei keinesfalls um die vor 100 Jahren postulierte „Zwergwüchsigkeit“ oder dergleichen.

 

Mit den Methoden der physischen Anthropologie wurde das Sterbealter des weiblichen Individuums aus der Josefinenhöhle zwischen 45 und 55 Lebensjahren festgestellt und mit einer für prähistorische Funde neuartigen, molekularen Altersschätzung gegengeprüft. Dies erfolgte mittels der Bestimmung der Pentosidinkonzentration im Dentin eines Zahns. Mit Hilfe dieser, in einem Projekt mit den deutschen Forscherinnen Stephanie Ritz-Timme und Nina Sophie Mahlke vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität Düsseldorf an historischen Knochenerproben, und in der Forensik rezenter Leichenfunde angewandten Methodik, konnte das Sterbealter auf exakt 52,8 Jahren festgelegt werden. Die Ergebnisse der anthropologischen und archäologischen Forschungen werden im Laufe des Jahres im „Schild von Steier“, der Zeitschriftenreihe der Abteilung Archäologie & Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum publiziert.

 

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Den ausführlichen Pressetext sowie Bildmaterial finden Sie unter: Forschungsergebnisse zur „ältesten Steirerin“

 

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Mit herzlichen Grüßen

 

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