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Das NS-Mahnmal „Lauftext“ der Künstlerin Catrin Bolt wurde nach umfangreicher Instandsetzung wiedereröffnet

 

Graz, 9. Juli 2024

 

Erstmals 2013, als temporäres Projekt angelegt, hat die Künstlerin Catrin Bolt ein zeitgenössisches Mahnmal für die NS-Pogrome geschaffen. Für die Installation Lauftext, die von der Radetzkystraße 8 bis zum Griesplatz durch den öffentlichen Raum von Graz führt, hat Bolt das Medium Schrift gewählt. Nach umfangreichen Bauarbeiten in diesem Bereich wurde das Kunstwerk erneut instand gesetzt und vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark gemeinsam mit der Künstlerin und unter Beteiligung der Jüdischen Gemeinde Graz sowie Vertreter*innen von Stadt und Land feierlich eröffnet.

Heinz Anderwald (Jüdische Gemeinde Graz), Michael Schwanda (Präsident Oberlandesgericht Graz), Elisabeth Fiedler (Leiterin Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark), Catrin Bolt (Künstlerin), Josef Smolle (Nationalratsabgeordneter ÖVP), Robert Krotzer (Stadtrat Graz, KPÖ), v.l. Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Thematisierung der November-Pogrome

Die Novemberpogrome von 1938 waren ein bezeichnendes Ereignis. Erstmals wurde von offizieller Seite Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden angeordnet und Teile des Staatsapparats sowie der Bevölkerung gingen in massiven Übergriffen auf offener Straße gegen jüdische Mitbürger*innen vor. In Graz wurde nicht nur die Synagoge in Brand gesetzt; wie viele andere Jüdinnen und Juden holte man auch den damaligen Oberrabbiner David Herzog nachts aus seiner Wohnung, misshandelte ihn auf offener Straße und drohte ihm wiederholt mit dem Tod.
 

Der Bericht von David Herzog, in dem er die Übergriffe schildert, wurde von der Künstlerin Catrin Bolt 2013 entlang jener Strecke, die er zu Fuß durch die Stadt gequält wurde – ausgehend von seinem damaligen Wohnort in der Radetzkystraße 8 bis zum Griesplatz – als Lauftext auf den Gehsteigen aufgetragen. „Das Textband integriert sich optisch in den Stadtraum. Auch die beschriebenen Übergriffe sind ein Teil unserer Gesellschaft. Über den Inhalt und die Anbringung entlang alltäglicher Wege kann der öffentliche Raum abgesehen von seiner praktischen Nutzung auch in seiner politischen Dimension wahrgenommen werden“, so die Künstlerin Catrin Bolt.

Die umfangreichen Bauarbeiten im Bereich Radetzkystraße erforderten eine neuerliche Instandsetzung einiger Stellen des Textes, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek © Bildrecht Wien, 2024

Feierliche Wiedereröffnung in der Synagoge

Die umfangreichen Bauarbeiten im Bereich Radetzkystraße erforderten eine neuerliche Instandsetzung einiger Stellen des Textes. Aus diesem Anlass lud das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark mit der Jüdischen Gemeinde Graz und der Künstlerin am 8. Juli zu einer gemeinsamen Begehung in Anwesenheit von politischen Vertreter*innen des Landes Steiermark und der Stadt Graz ein. Ausgehend vom damaligen Wohnort von David Herzog in der Radetzkystraße 8 folgten die Teilnehmenden gemeinsam mit Nationalratsabgeordneten Josef Smolle, Stadtrat Robert Krotzer und Elisabeth Fiedler (Leiterin Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark) dem Lauftext zur feierlichen Wiedereröffnung in der Synagoge Graz.

 

Die Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Elisabeth Fiedler, betont, wie wichtig die Installation – mittlerweile ein permanentes Projekt, für den Prozess des Gedenkens – ist: „Dieses Mahnmal ist kein symbolisches oder repräsentatives Denkmal, das in Vertretung für die Bevölkerung Leid darstellt und mahnt, es fordert die Betrachter*innen und bindet sie aktiv in den Gedenkprozess ein. Über den subjektiven Bericht kann die damalige Situation nachempfunden werden und man wird nicht nur theoretisch, transformativ informiert, sondern kann real den Weg verfolgen, Sequenzen empfinden, wird unmittelbar und doch subtil berührt. Anhand eines Einzelschicksals wird hier die grauenvolle Dimension menschenverachtenden Massenwahns erkenn- und fühlbar.“

 

Eine Broschüre mit dem gesamten Bericht von David Herzog und weiterführenden Texten von Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht und Cornelia Offergeld kann einer Box an der Hauswand Radetzkystraße 8 sowie weiteren Stationen entlang des Lauftext-Weges frei entnommen werden.

Catrin Bolt befasst sich mit der inhaltlichen, geschichtlichen und architektonischen Komplexität von Räumen und Orten. In Mahnmalprojekten entwickelte sie eigenständige Formen einer zeitgenössischen Erinnerungskultur. Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek © Bildrecht Wien, 2024

Zur Künstlerin

Catrin Bolt, geboren 1979 in Friesach, lebt und arbeitet in Breitenstein und Wien. Sie studierte von 1997 bis 2003 bei Peter Kogler in der Medienklasse an der Akademie der bildenden Künste in Wien. In Mahnmalprojekten entwickelte sie eigenständige Formen einer zeitgenössischen Erinnerungskultur. 2012 erhielt sie einen Anerkennungspreis für ihren Vorschlag für das zentrale Mahnmal in Saarbrücken. 2015 erhielt sie den renommierten Otto Mauer-Preis, 2019 den Theodor Körner Preis in der Sparte Bildende Kunst und gewann die Umsetzung zweier Ehrenmäler für Wissenschaftlerinnen im Arkadenhof der Universität Wien.

Bolt befasst sich mit der inhaltlichen, geschichtlichen und architektonischen Komplexität von Räumen und Orten. Mithilfe von Fotos, Skulpturen und Installationen – über minimale Eingriffe und unorthodoxe Darstellungen – werden diese in ihrer Vielschichtigkeit erfahrbar. Neben dem Begriff des erweiterten öffentlichen Raums und der konzeptuellen Befragung von Ausstellungen erforscht die Künstlerin das Potenzial von Kunst in Alltagsräumen.

 

 

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Catrin Bolt

Lauftext
 

2024: Wiedereröffnung des permanenten Projekts aus dem Jahr 2013
Installation im öffentlichen Raum: Radetzkystraße 8 über Grieskai, Rosenkranzgasse, Kleegasse und Brückenkopfgasse bis zum Griesplatz
8020 Graz

Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

 

www.kioer.at

 

Weitere Informationen sowie Bildmaterial zum Download finden Sie unter: LAUFTEXT

 

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Mit herzlichen Grüßen

 

Daniela Teuschler
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