Erweiterter Denkmalbegriff mit Zeitzeug*innenberichten
In zeitadäquatem und diesen erweiternden Denkmalbegriff interessiert die Künstlerin keine klassische Werkkonstruktion, sondern sie schichtet höchst differenziert unterschiedliche Layer überdimensional über- und ineinander: Historischen Ansichtskarten der Region schreibt sie Zeitzeug*innenberichte des Verbrechens, das sich vom Todesmarsch durch Eisenerz über die Erschießung der Getriebenen am Präbichl, den Transport der Leichen sowie deren versuchte Verbrennung und Vergrabung in der Seeau am Leopoldsteiner See erstreckte, ein. Angesichts und eingedenk dieser Gräueltaten arbeitet Daha in spezifisch konzeptuellem Ansatz aus dem historischen Hintergrund und stellt sich als Reflektor eines unaussprechlichen und unkommentierbaren Gewaltverbrechens zur Verfügung. In der Abnahme der Ansichtskarten und Texte durch Blaupause wird einerseits die potenzielle und immer mögliche Fortschreibung einer schlummernden Matrix erkennbar, andererseits werden Geschichte und Erinnerung, also persönliche Prägungen über Generationen hinweg sowie das Aufeinanderprallen verschiedener Wirklichkeiten sichtbar.
Verweist die Entnahme der Farbe an Auslöschung, Vergessen und Verdrängung ebenso wie auf unreflektiert befolgte Dienstanweisung, so verankert sich das Blau in seiner gewonnenen Abstraktion unauslöschlich in unseren Köpfen. Gibt es eine größere Diskrepanz als die von Ramesch Daha gezeigte von vorgegebener Idylle, touristischer Intention und Verklärung mit handschriftlich hinterlegten, kaum erträglichen Tatsachenberichten eines derartigen Verbrechens?
Aufgebracht auf elf DIN-A2-großen unterschiedlichen Motiven auf Wandfliesen im Durchgang der Liebfrauenkirche in Eisenerz überschreibt Ramesch Daha im Reproduktionsverfahren Archivalien, trägt so Geschichte ins Jetzt, zitiert ein Gefahrenpotenzial, das jederzeit relevant ist. Auf Anfrage werden zusätzlich einzelne Sujets an Stadtbewohner*innen vergeben, um sie an deren Häuserfassaden platzieren zu können.
Der zweite Teil der Arbeit, eine Betonwand in der Wiese, aufgestellt wie eine geknickte Karte, vorne ein „Gruß vom Leopoldsteiner See“ mit eingetragenem Zeitzeugenbericht und dunkler Rauchwolke, an der Innenseite das Sujet einer Ansichtskarte mit unbeschriebenem Innenfeld zeigt, konnte dank der Genehmigung durch den Grundstücksbesitzer Hofer Forst GmbH, Peter und Mario Hofer, auf der Wiese vor dem im Hintergrund des Grundstücks gelegenen Grabmal am Leopoldsteiner See positioniert werden. Es ist die Lücke des nicht Geschriebenen, die uns auf uns selbst zurückwirft und wachhält.
Die Arbeit entstand in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde Eisenerz. Besonderer Dank gilt hier Bürgermeister Thomas Rauninger, Gerhard Niederhofer, Pfarrer Anton Konrad Reinprecht, Stadtbaudirektor Gregor Ruckhofer, Bernhard Nagler und Petra Tilzer.
____________________
Ramesch Daha
Eisenerz 1945
Standorte:
Parkplatz Leopoldsteinersee
Seestraße 9, 8790 Eisenerz
Liebfrauenkirche
Lindmoserstraße 1, 8790 Eisenerz
www.kioer.at
Bildmaterial zum Download finden Sie unter folgendem Link: Ramesch Daha
____________________
Wir freuen uns auf Ihre Berichterstattung und stehen für Fragen gerne zur Verfügung!
Mit herzlichen Grüßen
Daniela Teuschler +43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at
Stephanie Liebmann +43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at
Alexandra Reischl +43/699/1780-9002, alexandra.reischl@museum-joanneum.at
|